Das Dilemma moderner IT-Organisationen
Während die Abhängigkeit von IT-Systemen exponentiell wächst und digitale Services zur Existenzgrundlage werden, erodieren gleichzeitig die internen Kapazitäten zur Gestaltung dieser Infrastruktur. IT-Abteilungen leiden am Fachkräftemangel und operieren am Limit. Auf externe Dienstleister muss teilweise lange gewartet werden und ein erheblicher Teil der verfügbaren Ressourcen fließt in die Wartung veralteter Systeme, deren Komplexität nur Spezialisten durchdringen.
Aus diesem strukturellen Ungleichgewicht entsteht ein Zustand, den man als „digitalen Stillstand bei laufendem Betrieb“ charakterisieren könnte. Systeme funktionieren, aber Innovation wird systematisch aufgeschoben. Das Tagesgeschäft absorbiert nahezu alle verfügbaren Kapazitäten. Modernisierungsprojekte verharren in Warteschleifen, weil dringende Störungen Vorrang haben. Strategische Weiterentwicklung wird zur Nebensache, während operatives Feuerlöschen zur Hauptaufgabe mutiert.
Diese Entwicklung ist nicht auf Einzelfälle beschränkt. Sie manifestiert sich branchenübergreifend als Symptom der fundamentalen Fehlentwicklung, dass IT-Organisationen den Übergang von reaktiver Wartung zu proaktiver Systemgestaltung nicht vollzogen haben. „Never touch a running system“ lässt grüßen. Das Ergebnis ist eine schleichende Erosion der Handlungsfähigkeit, die langfristig die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Support als architektonisches Symptom
Der hohe Supportaufwand in Unternehmen wird häufig, als Folge unzureichender Personaldecke oder mangelnder Nutzerkompetenzen, als operatives Problem interpretiert. In Wahrheit handelt es sich um ein architektonisches und organisatorisches Symptom, dessen Wurzeln tiefer liegen.
Unternehmen patchen und erweitern Legacy-Systeme oft über Jahrzehnte. So entsteht ein undurchdringliches Geflecht aus Abhängigkeiten. Aktuelle Dokumentationen dieser Systeme, ihrer Anpassungen und der abgebildeten Prozesse existieren entweder gar nicht oder sind hoffnungslos veraltet. Prozesswissen konzentriert sich auf wenige Personen, deren Ausscheiden zur existenziellen Bedrohung wird.
In diesem Umfeld reagieren Mitarbeitende statt zu gestalten. Jeder Tag beginnt mit einem vollen Ticketsystem, jede Woche bringt neue Störungen, die zeitaufwendige Root-Cause-Analysen erfordern. Strategische Projekte werden chronisch verschoben, weil operative Stabilität permanent Vorrang hat. Dieser Zustand ist nicht nachhaltig. Er führt zu einer schleichenden Abwärtsspirale: Fehlende Modernisierung verschärft technische Altlasten, was wiederum den Supportaufwand erhöht und noch weniger Raum für Innovation lässt.
Langfristig bedroht dieser Zyklus die Wettbewerbsfähigkeit. Während Wettbewerber ihre IT als strategischen Hebel nutzen, verharren betroffene Unternehmen im Erhaltungsmodus. Die Fähigkeit zur schnellen Anpassung an Marktveränderungen schwindet.
Nachfolgend betrachten wir die technischen, betriebswirtschaftlichen und organisationspsychologischen Perspektiven der Situation. Zentral ist dabei die Erkenntnis, dass IT-Überlastung ein systemisches Problem darstellt, das isolierte Maßnahmen nicht beheben können. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der technische Sanierung mit organisatorischer Neuausrichtung und kultureller Transformation verbindet.
Ursachen, Auswirkungen und Dynamiken
Struktureller Support-Overhead oder die Anatomie technischer Schulden
Technische Schulden bezeichnen das kumulative Defizit zwischen idealem und tatsächlichem Systemzustand. Sie entstehen durch bewusste oder unbewusste Kompromisse und zeigen sich in der Praxis häufig z.B. durch schnelle Fixes statt nachhaltiger Lösungen oder aufgeschobene Updates. Mit der Zeit wächst dieses Defizit exponentiell. Die Systeme werden fragiler, Änderungen riskanter und die Fehlersuche aufwendiger.
Legacy-Systeme potenzieren dieses Problem. Oft basieren sie auf veralteten Technologien, für die kaum noch Expertise verfügbar ist. Programmiersprachen wie COBOL oder AS/400 finden sich weiterhin in kritischen Anwendungen, obwohl die Generation, die sie beherrscht, in den Ruhestand gegangen ist. Als Folge davon müssen externe Spezialisten zu exorbitanten Kosten eingekauft werden, während interne Teams die Systeme als Black Boxes behandeln, deren Innenleben sie nicht verstehen.
Fehlende oder veraltete Dokumentation ist mehr die Regel als die Ausnahme. In vielen Organisationen existiert Systemwissen nur implizit in den Köpfen langjähriger Mitarbeitender, in historischen E-Mail-Threads oder gar nicht mehr. Wenn Personen das Unternehmen verlassen, verschwindet dieses Wissen unwiderruflich. Onboarding neuer Kolleginnen und Kollegen wird zum Glücksspiel. Sie müssen sich Zusammenhänge mühsam erschließen, indem sie Code lesen, alte Tickets durchforsten oder Kollegen befragen, die selbst nur Teile des Puzzles kennen.
Personelle Unterbesetzung trifft auf diese technische Hypothek. Laut aktuellen Studien bleiben in Deutschland über 100.000 IT-Stellen unbesetzt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Cloud-Migration, IT-Sicherheit, Compliance, Datenschutz, Integration neuer Tools, KI-Revolution. Die Aufgabenliste wächst schneller, als Kapazitäten aufgebaut werden können. Die verbleibenden Teams operieren in einem permanenten Überlastungszustand. Dabei ist die Frage nach einer möglichen Fehlallokation der Themen in der IT weder gestellt noch beantwortet.
Abhängigkeiten von externen Entwicklern schaffen zusätzliche Komplexität. Viele Unternehmen haben Individualsoftware von Dienstleistern entwickeln lassen, ohne einen Know-how-Transfer zu vereinbaren. Wenn Anpassungen nötig werden, sind sie auf denselben Dienstleister, sowie dessen Konditionen und Zeitrahmen angewiesen. Diese Abhängigkeit ist kostspielig und risikoreich, insbesondere wenn der Dienstleister selbst unter Kapazitätsengpässen leidet oder vom Markt verschwindet.
Die versteckten Kosten operativer Ineffizienz
Die finanziellen Implikationen des Supportoverheads werden in Bilanzen selten transparent. Wartungskosten erscheinen als Betriebsausgaben, nicht als strategische Fehlsteuerung. Dabei sind die wirtschaftlichen Folgen erheblich.
Studien zeigen, dass IT-Abteilungen in reifen Organisationen 60 bis 80 Prozent ihres Budgets für den Erhalt bestehender Systeme aufwenden. Nur 20 bis 40 Prozent fließen in Innovation und Weiterentwicklung. Diese Allokation ist betriebswirtschaftlich fragwürdig, da sie Ressourcen in Systemen bindet, die keinen Wettbewerbsvorteil mehr generieren, während zukunftsrelevante Projekte unterfinanziert bleiben.
Die Wartungskosten alternder Systeme steigen progressiv. Je älter die Technologie, desto teurer die Expertise, desto höher das Ausfallrisiko, desto aufwendiger die Integration in moderne Infrastrukturen. Veraltete Systeme verursachen erhebliche Betriebskosten ohne ein einziges neues Feature zu liefern, geschweige denn Prozesse an neue Herausforderungen anzupassen.
Lange Reaktionszeiten bei Störungen schlagen sich direkt auf die Produktivität nieder. Wenn kritische Systeme ausfallen und Support-Teams überlastet sind, entstehen gravierende Stillstandskosten. Entgangene Umsätze und Opportunitätskosten sind in der Regel gar nicht konkret bezifferbar.
Projektverzögerungen akkumulieren zu strategischen Defiziten. Wenn ein CRM-Upgrade sechs Monate später live geht, weil Support-Eskalationen Priorität haben, verliert das Unternehmen Marktchancen.
Innovationsstau manifestiert sich als nachlassende Anpassungsfähigkeit. Unternehmen, die ihre IT nicht modernisieren, können auf Marktveränderungen nicht reagieren. Sie bleiben auf veralteten Geschäftsmodellen sitzen, während agilere Wettbewerber digitale Geschäftsfelder erschließen. Die langfristigen Folgen sind sinkende Marktanteile, Margenerosion und Attraktivitätsverlust für Kunden und potenzielle neue Mitarbeitende.
Sicherheitsrisiken verschärfen sich mit jedem Jahr, in dem Systeme nicht modernisiert werden. Veraltete Software erhält häufig keine Sicherheitsupdates mehr. Bekannte Schwachstellen bleiben ungepatcht, weil Updates Breaking Changes verursachen würden, die niemand riskieren will. Cyberangriffe nutzen systematisch diese Lücken. Ein erfolgreicher Ransomware-Angriff kann, ganz abgesehen von regulatorischen Konsequenzen bei Datenschutzverstößen, Lösegelder, Betriebsausfälle und Reputationsschäden in bestandsgefährdender Höhe verursachen.
Die menschliche Dimension der Überlastung
Die Auswirkungen chronischer Überlastung auf Menschen werden in Organisationen systematisch unterschätzt. Dabei sind die psychologischen und kulturellen Folgen ebenso gravierend wie die technischen und wirtschaftlichen.
Überforderung entsteht, wenn Anforderungen dauerhaft die Kapazitäten übersteigen. IT-Mitarbeitende berichten von 50-, 60- oder 70-Stunden-Wochen, permanenter Erreichbarkeit, aufgeschobenen Urlauben. Diese Belastung ist nicht nachhaltig. Sie führt zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und erhöhten Fehlerquoten, was wiederum den Supportaufwand erhöht und eine negative Rückkopplung erzeugt.
Burnout-Gefahr ist in IT-Berufen signifikant erhöht. Studien zeigen, dass IT-Fachkräfte überdurchschnittlich häufig unter Stresssymptomen leiden. Die Kombination aus hoher Verantwortung, ständiger Erreichbarkeit, fragmentierter Arbeit und fehlendem Gestaltungsspielraum schafft toxische Arbeitsbedingungen. In der Folge steigen krankheitsbedingte Ausfälle, die die Überlastung der verbleibenden Teams weiter verschärfen.
Know-how-Verlust tritt ein, wenn überlastete Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Dabei geht implizites Wissen verloren, Supportzeiten steigen und die Fehleranfälligkeit nimmt zu. Der Versuch Abgänge durch Neueinstellungen zu kompensieren, bringt dieses verlorene implizite Wissen nicht zurück.
Frustration durch reaktive Arbeitsweise demotiviert selbst engagierte Fachkräfte. Menschen, die IT-Berufe gewählt haben, um Systeme zu gestalten, Probleme zu lösen und Innovationen zu schaffen, finden sich in einer Rolle wieder, in der sie ausschließlich auf Störungen reagieren.
Kulturell etabliert sich eine Mentalität der Resignation. Wenn alle Verbesserungsvorschläge an fehlenden Ressourcen scheitern, wenn jedes Modernisierungsprojekt vertagt wird, entsteht eine Kultur des „Das haben wir immer so gemacht“. Innovation wird nicht als erstrebenswert wahrgenommen, sondern als zusätzliche Belastung.
Personalknappheit und Legacy-Systeme: Ein selbstverstärkender Kreislauf
Der Zusammenhang zwischen technischen Schulden und Fachkräftemangel ist subtiler, als es zunächst scheint. Oberflächlich betrachtet mangelt es an IT-Personal, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass Legacy-Systeme die Attraktivität von IT-Rollen systematisch senken und so den Personalmangel verstärken.
Talentierte IT-Fachkräfte wählen Arbeitgeber nach Kriterien wie Technologie-Stack, Lernmöglichkeiten und Gestaltungsspielraum. Ein Unternehmen, dessen IT-Landschaft von Jahrzehnte alten Systemen dominiert wird, punktet in keiner dieser Kategorien.
Diese Diskrepanz zwischen Marktstandards und Unternehmensrealität schafft ein strukturelles Rekrutierungsproblem. Unternehmen konkurrieren um dieselben knappen Talente und verlieren immer häufiger gegen Arbeitgeber mit moderneren Technologien. In der Folge bleiben Stellen unbesetzt, bestehende Teams werden weiter überlastet und die Modernisierung verzögert sich erneut.
Gleichzeitig scheiden erfahrene Fachkräfte aus. Die Generation, die Legacy-Systeme aufgebaut hat, erreicht das Rentenalter. Mit ihr verschwindet Wissen, das nicht kodifiziert ist. Jüngere Kolleginnen und Kollegen haben weder ein Interesse an noch eine Ausbildung in diesen Technologien. Der Wissenstransfer scheitert, weil er nicht systematisch organisiert wird und weil die ausscheidenden Fachkräfte in ihren letzten Arbeitsjahren selbst überlastet sind.
Externe Dienstleister können diese Lücke nicht füllen. Auch sie leiden unter Fachkräftemangel und priorisieren lukrative Projekte. Legacy-Wartung ist weder technisch reizvoll noch zwingend wirtschaftlich attraktiv. Dienstleister verlangen Premiumpreise für Spezialisten sofern sie überhaupt verfügbar sind. Unternehmen geraten in finanzielle und operative Abhängigkeiten, ohne einer dauerhaften Lösung näher zu kommen.
Diese Dynamik ist selbstverstärkend. Je länger Modernisierung aufgeschoben wird, desto weniger Kapazität steht für Modernisierung zur Verfügung. Aus diesem Kreislauf gibt es keinen einfachen Ausweg. Er erfordert strategische Entscheidungen: entweder radikale Systemerneuerung unter Inkaufnahme kurzfristiger Mehrbelastung, oder schrittweise Entkopplung über Abstraktionsschichten bei fortgesetzter Legacy-Nutzung.
KI und Automatisierung: Von reaktivem Support zu proaktivem Service-Design
Moderne KI- und Automatisierungstechnologien bieten einen Ausweg aus der Supportfalle. Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht als reines Mittel zur Kostenreduktion missverstanden, sondern als strategische Werkzeuge zur Skalierung knapper Expertise eingesetzt werden.
Large Language Models (LLMs) haben das Potenzial, Support-Prozesse fundamental zu transformieren. Sie können Anfragen verstehen, in Wissensdatenbanken recherchieren, Lösungsvorschläge generieren und Nutzer durch Troubleshooting-Prozesse führen. Richtig eingesetzt, entlasten sie menschliche Supportteams von Routineanfragen und ermöglichen den Menschen die Fokussierung auf komplexe, wertschöpfende Aufgaben.
Retrieval-Augmented Generation (RAG) kombiniert die Sprachfähigkeit von LLMs mit der Präzision unternehmensinterner Wissensdatenbanken. Ein RAG-System kann Dokumentationen, Tickethistorien, Systemlogs und Prozessbeschreibungen semantisch erschließen und kontextrelevante Antworten generieren. Es lernt kontinuierlich aus neuen Tickets und aktualisiert sein Wissen dynamisch.
Die Automatisierung repetitiver IT-Aufgaben durch Low-Code- und No-Code-Plattformen demokratisiert die Systemgestaltung. Aufgaben wie Benutzeranlage, Rechtevergabe, Softwareverteilung oder Statusabfragen können von Fachabteilungen ohne Programmierkenntnisse selbst automatisiert werden. Dies entlastet IT-Teams und beschleunigt Prozesse. Wartezeiten entfallen, Fehlerquoten sinken, Mitarbeitende gewinnen Autonomie.
Predictive Maintenance transformiert reaktiven Support in proaktive Systembetreuung. Durch kontinuierliche Analyse von Systemmetriken, Logs und Verhaltensmustern können KI-Systeme Störungen vorhersagen, bevor sie eintreten. Festplatten, die Ausfallsymptome zeigen, werden präventiv ausgetauscht. Systeme, die sich ungewöhnlich verhalten, werden untersucht, bevor Nutzer Beeinträchtigungen bemerken. Diese Verlagerung von reaktivem „Feuer löschen“ zu proaktiver „Brandverhütung“ reduziert nicht nur den Supportaufwand, sondern erhöht auch die Systemverfügbarkeit und Nutzerzufriedenheit.
Intelligente Ticketsysteme nutzen NLP und Machine Learning, um Anfragen zu klassifizieren, zu priorisieren und automatisch an kompetente (menschliche oder künstliche) Bearbeiter zu routen. Sie erkennen Muster in Störungsmeldungen und identifizieren systemische Probleme, die einzelne Tickets nicht offenlegen. Sie schlagen Lösungen vor oder eskalieren proaktiv, wenn definierte Schwellenwerte überschritten werden. Das Resultat sind kürzere Bearbeitungszeiten, weniger Fehlzuordnungen und eine effizientere Ressourcennutzung.
Doch Technologie allein löst das Problem nicht. KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. In Organisationen mit fragmentierten Wissensbeständen, inkonsistenten Dokumentationen und isolierten Datensilos können KI-Tools ihr Potenzial nicht entfalten. Eine ganzheitliche Transformation muss technische und organisatorische Maßnahmen verbinden.
Wege aus der Supportfalle
Der Ausweg aus chronischer IT-Überlastung erfordert strategische Weichenstellungen, die über operative Optimierungen hinausgehen. Die folgenden Ansätze haben sich in der Praxis bewährt. Als einzelne Maßnahmen bringen sie Verbesserungen, in Kombination entfalten sie transformative Wirkung.
Knowledge-Driven IT-Management
Wissen ist in modernen Unternehmen das wertvollste und gleichzeitig am schlechtesten gemanagte Asset. Es existiert nicht dort, wo es gebraucht wird, sondern fragmentiert in Systemen, Tickets, E-Mails, Dokumenten oder Köpfen. Es ist nicht durchgängig zentral verfügbar, durchsuchbar und aktuell.
Ein Knowledge-Driven IT-Management etabliert Wissen als zentrale Ressource. Jede Support-Interaktion, jede Störungsbehebung, jede Systemänderung wird als integraler Teil des Arbeitsprozesses so dokumentiert, dass daraus lernbares Wissen entsteht. Ein LLM-basiertes System extrahiert daraus automatisch Erkenntnisse und aktualisiert Wissensdatenbanken.
Semantische Suchtechnologien ermöglichen die intuitive Wissensabfrage. Statt Boolean-Operatoren und Schlagwortkombinationen zu bemühen, formulieren Nutzende ihre Frage in natürlicher Sprache. Das System durchsucht Tickets, Dokumentationen, Logs und liefert relevante Treffer nach semantischer Ähnlichkeit statt nach Keyword-Matching.
Die Kontinuierliche Wissenspflege wird durch KI unterstützt. Das System identifiziert veraltete Dokumentationen, inkonsistente Informationen, Wissenslücken. Es schlägt Aktualisierungen vor oder generiert diese automatisch aus aktuellen Tickets. Das Knowledge-Management wird von einer zeitraubenden Nebentätigkeit zu einem automatisierten Hintergrundprozess.
Ergebnis sind kürzere Suchzeiten, weniger Eskalationen, schnelleres Onboarding und geringere Abhängigkeit von Einzelpersonen. Wissen wird vom Herrschaftswissen Einzelner zum Gemeingut.
RAG-gestützte Support-Assistenzsysteme
Retrieval-Augmented Generation repräsentiert einen Quantensprung im technischen Support. Anders als klassische Chatbots, die auf vordefinierte Antworten beschränkt sind, kombinieren RAG-Systeme die Flexibilität von Large Language Models mit der Präzision unternehmensinterner Wissensdatenbanken.
Nutzeranfragen werden dabei semantisch analysiert, relevante Dokumentationen und Ticketlösungen werden aus der Wissensbasis abgerufen und ein LLM generiert daraus eine natürlichsprachliche, kontextspezifische Antwort.
Routineanfragen, wie z.B. Passwort-Resets, Zugriffsberechtigungen, Software-Installationen oder Statusabfragen, können dadurch vollständig automatisiertwerden. Der Nutzer interagiert mit dem Assistenzsystem, erhält eine Lösung oder wird Schritt für Schritt durch den Prozess geführt, ohne menschliche Intervention durch Support-Mitarbeitende erforderlich wäre. So werden Support-Teams von hochvolumigen Standardfällen entlastet und können sich auf komplexe Problemstellungen konzentrieren.
Lösungsvorschläge bei komplexeren Anfragen beschleunigen auch die Arbeit menschlicher Supporter. Das System analysiert die Anfrage, durchsucht ähnliche Fälle und schlägt Lösungsansätze vor. Der Support-Mitarbeiter prüft, passt an und implementiert statt bei Null zu beginnen.
Dynamische Dokumentationsaktualisierung schließt den Kreis. Wenn ein Supporter eine Lösung dokumentiert, fließt diese automatisch in die Wissensbasis ein. Wenn ein System geändert wird, aktualisiert sich die Dokumentation entsprechend. Wenn ein Prozess angepasst wird, reflektiert das Assistenzsystem dies in seinen Antworten.
Praxisbeispiele zeigen hervorragende Resultate, aber die Einführung ist nicht unkritisch. RAG-Systeme erfordern sorgfältige Datenkuratierung, kontinuierliche Evaluation und eine transparente Kommunikation über deren Fähigkeiten und Grenzen.
Low-Code/No-Code-Automatisierung
Low-Code- und No-Code-Plattformen verschieben die Grenze zwischen IT und Fachabteilungen. Sie ermöglichen Nicht-Programmierern, Workflows zu automatisieren, Schnittstellen zu erstellen und Prozesse zu digitalisieren, ohne dass sie Code schreiben müssten.
Integration zwischen Systemen werden niederschwellig möglich. Entsprechende Plattformen ermöglichen Nicht-Technikern Systeme zu verbinden und damit ganze Prozessketten zu automatisieren.Diese Integrationen benötigen keine aufwendige Entwicklung, keine großen Projektbudgets und kaum Wartezeiten.
Dennoch bleibt Governance erforderlich. Das unkontrollierte Ausrollen von Automatisierungen schafft neue technische Schulden wie Schatten-IT, inkonsistente Prozesse oder Sicherheitsrisiken. Es müssen klare Leitplanken gesetzt werden, die definieren, welche Plattformen zugelassen sind und welche Sicherheitsstandards gelten? Auch hier ist die Sicherstellung einer nachvollziehbaren Dokumentation essentiell. Low-Code/No-Code ist kein Ersatz für IT, sondern eine Möglichkeit IT-Teams von Routineaufgaben zu befreien und strategischen Gestaltungsspielraum zu schaffen.
API- und Middleware-Strategien
Die radikale Ablösung von Legacy-Systemen ist oft unrealistisch, da sie häufig zu teuer, zu riskant oder zu zeitaufwendig wäre. Als Alternative empfiehlt sich deshalb die Entkopplung durch API- und Middleware-Architekturen.
Legacy-Systeme werden dabei nicht ersetzt, sondern eingekapselt. Eine API-Schicht abstrahiert ihre Funktionalität und stellt sie modernen Systemen zur Verfügung. Neue Anwendungen kommunizieren nicht direkt mit dem Altsystem, sondern über standardisierte Schnittstellen. Das Legacy-System bleibt operational, aber isoliert.
Neue Systeme können unabhängig entwickelt werden und die Entwickler müssen das Altsystem nicht vollständig verstehen, sondern nur die API. Das Technologie-Stack wird dabei modernisiert, während kritische Funktionen stabil bleiben.
Middleware-Plattformen orchestrieren diese Integration. Sie übersetzen zwischen Protokollen, transformieren Datenformate, managen Transaktionen. Sie schaffen eine Abstraktionsebene, die das Chaos heterogener Systemlandschaften beherrschbar macht.
Praktisch sinken dadurch die Support-Abhängigkeiten von Legacy-Systemen dramatisch. Wenn ein modernes Frontend über APIs mit dem Backend kommuniziert, können Änderungen ohne Backend-Anpassungen erfolgen. Die Komplexität wird nicht eliminiert, aber beherrschbar gemacht.
IT-Überlastung als Strukturproblem mit strategischen Lösungenie
Chronische IT-Überlastung ist kein temporäres Ressourcenproblem, das sich durch Neueinstellungen beheben lässt. Sie ist ein strukturelles, systemisches Problem, das aus dem Zusammenspiel technischer Schulden, organisatorischer Fragmentierung und kultureller Defizite entsteht.
Die Wurzel liegt im Umstand, dass IT-Organisationen den Übergang vom Systembetrieb zur Systemgestaltung nicht vollzogen haben. Sie verharren in reaktiven Arbeitsweisen, die für die IT der 1990er-Jahre angemessen waren, aber den Anforderungen digitaler Geschäftsmodelle nicht gerecht werden. Das Ergebnis ist eine Abwärtsspirale. Technische Schulden erhöhen den Supportaufwand, der Supportaufwand bindet Ressourcen, gebundene Ressourcen verhindern Modernisierung, fehlende Modernisierung akkumuliert weitere technische Schulden.
Aus diesem Zyklus gibt es keinen einfachen Ausweg. Isolierte Maßnahmen wie mehr Personal, bessere Tools und effizientere Prozesse bringen bestenfalls marginale Verbesserungen. Notwendig ist eine ganzheitliche Transformation, die auf vier Ebenen ansetzt:
- Technologisch durch Entkopplung von Legacy-Systemen, Automatisierung repetitiver Aufgaben, Einführung intelligenter Assistenzsysteme. KI und Automatisierung sind dabei nicht Mittel zur Kostenreduktion, sondern Werkzeuge zur Skalierung knapper Expertise. Sie ermöglichen es, dass ein kleines Team Aufgaben bewältigt, für die früher ein großes Team nötig war.
- Organisatorisch durch Neustrukturierung von Verantwortlichkeiten, Etablierung von Knowledge-Management-Prozessen, Definition klarer Schnittstellen zwischen Entwicklung, Betrieb und Support.
- Kulturell durch Transformation von reaktiver Feuerwehr-Mentalität zu proaktiver Gestaltungskultur. Dies erfordert Führung, die Experimentierräume schafft, Fehler als Lernchancen begreift und kontinuierliche Verbesserung incentiviert. Es erfordert Mitarbeitende, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln, neue Rollen zu übernehmen und Verantwortung für die Systemqualität zu übernehmen.
- Strategisch durch Anerkennung, dass operative IT-Entlastung keine technische Detailfrage ist, sondern eine strategische Priorität. Unternehmen, die ihre IT permanent am Limit operieren lassen, gefährden ihre digitale Resilienz. Sie können auf Störungen nicht reagieren und Chancen nicht nutzen. Langfristig gefährdet dies die Wettbewerbsfähigkeit.
Die gute Nachricht ist, dass die Werkzeuge technologisch verfügbar sind. Die schlechte Nachricht ist, dass die Technologie allein das Problem nicht löst. Erforderlich ist strategischer Wille, organisatorische Konsequenz und die Bereitschaft zu kulturellem Wandel.
Unternehmen, die diese Transformation vollziehen, gewinnen mehrfach. Sie entlasten ihre IT-Teams, steigern die Systemstabilität, beschleunigen Innovationen und erhöhen ihre Attraktivität für Talente. Sie transformieren IT von einem Kostenfaktor zu einem strategischen Enabler und schaffen damit die Grundlage für digitale Resilienz in einer zunehmend volatilen Geschäftsumwelt. Unternehmen, die diese Transformation aufschieben, riskieren den Anschluss zu verlieren.


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